berlinale_forum

Katalogtext

Schnupfen im Kopf ist eine experimentelle Langzeitbeobachtung. Sie begleitet meinen Versuch wieder zum „normalen“ Leben zurückzukehren – seit Mitte der 90er Jahre hatte ich mehrere psychotische Krisen, die zumeist in der Psychiatrie behandelt wurden.

Indem ich mich dem Film als Prozess aussetze, erlaube ich einen direkten Einblick in das Ringen mit der Diagnose „Psychose“ und der Stigmatisierung, die ich erfahren habe. Der subjektive Zugang zum Thema erscheint mir notwendig, auch wenn es mir anfänglich sehr schwer gefallen ist, mich zu „outen“. Ich beziehe Position, wie ich mit der Krankheit lebe und mich arrangiert habe.

Schnupfen im Kopf ist eine autobiografische Arbeit, die in mehreren Stadien entsteht. Das Experiment in Form und Inhalt ergibt sich aus meiner Arbeitsweise, die auf umfassendem Sammeln und behutsamem Vortasten beruht. Die konkrete Arbeit an dem Projekt hat im Sommer 2001 mit einem ersten Projektentwurf begonnen, seit dem Frühjahr 2002 entstand das Mini-DV Materialarchiv aus Selbstinterviews und Gesprächen mit mir sowie Videobriefen von meiner Familie und Freunden. Schnupfen im Kopf ist eine biografische Erzählung, meine Geschichte bietet den Einstieg in das komplexe Thema, indem sie Anlass und Beispiel zugleich ist.

Menschen mit meiner Erkrankung sind gezeichnet und gebeutelt. Sie leben zumeist recht ausgegrenzt auf Frührente oder von Hartz 4, können in den seltensten Fällen einer regulären Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen. Das Leben ist zerrissen von Krankenhausaufenthalten und langen Phasen der Rekonvaleszenz. Auf die Krisen folgen oft Depressionen, die fast so schlimm sind wie die Krisen, weil sie länger andauern. Das Selbstbewusstsein ist angegriffen und der ewige Kampf mit den notwendigen Medikamenten und gegen die Nebenwirkungen, die die Lebensqualität beeinträchtigen, ist zermürbend.
Wenn ich die Selbstinterviews ansehe, entdecke ich etwas Verblüffendes. Den geduldigen Versuch über Jahre hin tatsächlich zu berichten, was es heißt diese schwere Krankheit zu ertragen und zu leben. Was ich mir abverlangt habe, hat sich gelohnt. Es ist ein schonungsloser Blick ohne Voyeurismus. Ich habe die Interviewform gewählt, so dass durch die Erzählung, die Auslassung, und die Kommentare von außen (Videobriefe) ein sehr eindrückliches, persönliches Bild entsteht.

Für die konkrete Zielgruppe der Angehörigen, Betroffenen, Therapeuten und Ärzte ist dieser Film ungemein wichtig und wird zu sehr engagierten, kontroversen Diskussionen über meine Position des „compliant“ Patienten führen. Doch der Film geht über die Bearbeitung des Umgangs mit der psychotischen Erkrankung aus persönlicher Sicht hinaus. Er zeigt auch das Leben, den Lebensweg einer freiberuflichen Künstlerin in der Lebensmitte voller Zweifel, warum es so gekommen ist wie es gekommen ist.
Die zentrale Thematik des Films kreist um die Frage der Verantwortung für das eigene Leben, die eigene Erkrankung und das alleinige Zuständigsein dafür. Es geht immer um die große Einsamkeit, in der ich mich befinde und den Wunsch die Verantwortung zu teilen. Der Film wird durch diese Ebenen universeller und spannend. Er stellt Fragen, die sich viele Frauen in meinem Alter stellen, die nicht mit der Stigmatisierung psychisch krank zu sein zu kämpfen haben.

Gamma Bak



Head Cold

Head Cold

Head Cold


Head Cold


Head Cold


Head Cold

 
Kontakt | Impressum | English Version